Franken in Bayern und Franken in Thüringen
ein Vergleich der historischen Entwicklung nach 1806 und der IST-Situation
– von Martin Tuckenbrodt –
Bis 1806 verlief die politisch-territoriale Geschichte für die aus dem Herzogtum Ostfranken hervorgegangene heutige Kulturregion Franken relativ einheitlich. Danach sind für die Bereiche in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen die Entwicklungen teilweise doch sehr unterschiedlich gewesen.
Die Sächsischen Herzogtümer im Norden Frankens wurden 1806 nicht einem anderen Königreich angeschlossen, sondern in ihre Unabhängigkeit als souveräne Staaten entlassen. So wurde der Norden Frankens, im Gegensatz zu den im damaligen Königreich Bayern liegenden Teilen Frankens, nicht militärisch besetzt und auch nicht geplündert. Die Menschen südlich des Rennsteigs fühlten sich weiterhin mit Franken verbunden.
Im nunmehr bayerischen Teil Frankens schlugen im 19. Jhd. erste Versuche, die Franken vollumfänglich für Bayern einzuvernehmen, fehl. Es konnte hier u.a. für die Regierungsbezirke ein namentlicher Bezug zu Franken durchgesetzt werden.
Suhl und Schleusingen kamen 1815 zu Preußen. Zeitgleich kamen die ehemals hersfeldischen und fuldischen Ämter Vacha, Geisa und Fischberg/Dermbach vom Kurfürstentum Hessen und dem Großherzogtum Frankfurt zu Sachsen-Weimar-Eisenach. 1866 kam Schmalkalden vom Kurfürstentum Hessen zu Preußen.
1871 kamen die Sächsischen Herzogtümer ebenfalls als Gliedstaaten in das Deutsche Kaiserreich. Erst im 19. Jhd. kam, erstmals mit der Gründung des Thüringischen Zollvereins 1833, der bis dahin völlig unbekannte Begriff der Thüringischen Staaten als umgangssprachliches Synonym für die Sächsischen Herzogtümer auf. Ende des 19. Jhd. wurde der Begriff Thüringen zunehmend in der Literatur und u.a. auch auf Postkarten verwendet. In diese Zeit fällt auch die Entdeckung des Thüringer Waldes für den aufkommenden Tourismus der Städter, u.a. durch den aus Nordsachsen zugereisten August Trinius.
Als Sachsen-Coburg 1920 per Volksentscheid zum Freistaat Bayern und Sachsen-Meiningen, damals etwa zwei Drittel des heutigen Südthüringen, per Entscheidung der damals SPD-geführten Landesregierung zum damals neu gegründeten Land Thüringen kamen, fühlten sich die Menschen immer noch stark mit Franken verbunden. 1921 gründete sich im ehemaligen Sachsen-Meiningen die Initiative „Los von Thüringen“, welche bis 1931 existierte.
Nach 1920 wurde die vollumfängliche Vereinnahmung des heutigen Südthüringen intensiviert. Praktisch 1945 und formell 1947 kamen Schmalkalden, Suhl und Schleusingen von Preußen ebenfalls zum Land Thüringen. Eine wichtige (sozialistische) Weichenstellung war dann (1952) die Auflösung der (5) Länder und die Bildung der (20) Bezirke in der DDR. In dieser Zeit wurde im Sinne des Kalten Krieges die Identifikation der „Autonomen Gebirgsrepublik Suhl“ mit Franken weiter unterdrückt. Etwa seit den 1960er wird die fränkische Geschichte der Region auf der Sonnenseite des Thüringisch-Fränkischen Mittelgebirges nicht mehr an den Schulen gelehrt.
Nach 1945 kippt in Bayern sehr schnell die wirtschaftliche Potenz zwischen Nürnberg und München. Die zentralis-tische Landespolitik Bayerns begünstigte weiterhin vor allem Oberbayern. Ein massives Strukturgefälle entwickelte sich zu den anderen sechs Regierungsbezirken. Der Begriff Nordbayern, oft unter Einbeziehung der Oberpfalz, konnte nur in geringem Umfang Fuß fassen. Die fränkische Geschichte und Kultur kommt bis heute im Schulunterricht zu kurz. Dennoch werden im Freistaat Bayern die fränkischen, schwäbischen und altbairischen Gebiete deutlich unterschieden. Die Franken in Bayern identifizieren sich vorrangig oder ausschließlich mit Franken.
Nach 1990 fand in Thüringen eine massive Etablierung des Begriffs Südthüringen statt. Eine Identifikation der Franken in Thüringen mit Franken ist heute eher die Ausnahme als die Regel. Oft ist heute immer noch die Identifikation mit Ostdeutschland und mit einer Identifikation mit Thüringen fest verknüpft und sehr dominierend. Eine Unterscheidung zwischen der kulturellen oder historischen Zugehörigkeit und der Zugehörigkeit zum Freistaat Thüringen findet kaum statt. Das heutige Südthüringen konnte, auch auf Grund der Nähe zu Bayern und Hessen, seine wirtschaftliche Potenz wieder aufbauen und bewahren, obwohl es auch in Thüringen einen gewissen Zentralismus zugunsten Erfurts gibt.
1990 gründete sich im Freistaat Bayern der Fränkische Bund. Seit etwa zehn Jahren steht Franken nicht nur für eine Region, sondern zunehmend auch für eine Marke. Der Frankenrechen ist omnipräsent.
2013 gründete sich im Freistaat Thüringen der Verein Henneberg-Itzgrund-Franken. Hauptziel ist die Durchsetzung einer Anerkennung der Existenz eines fränkischen Teils im Freistaat Thüringen zwischen Bad Salzungen und Sonneberg.